FACHthema: Digitale Mediennetzwerke

Digitale Medientechnik, Konferenzraum Technik, Fachplaner Medienraum, gute Raumakustik
Digitale Mediennetzwerke

Medienverteilung, historisch betrachtet
Ludwig Kapeller schrieb 1926: „Der Rundfunk von morgen: ein Druck auf den Knopf, und rauschender Schall, mit Tiefen und Perspektiven; und noch ein Druck: bewegtes Bild, Ton und Klang illustrierend, eine Drehung am Hebel, und England kommt, Boxkampf in London, mit Fäustekrachen und Schmerzensstöhnen, mit den raschen Gesten der Kämpfer; oder Amerika meldet sich, mit Jazz-Band-Synkopen und den schwarzen Gesichtern der Chocolate-Kiddies; …. und übermorgen vielleicht: der plastische, farbige, sprechende Rundfunk-Film, Erlebnis mit allen Sinnen erfassend und durch die Technik meistern, dass durch den Druck auf schwarzen Knopf Millionen Erlebenshungriger es sich enthülle.“

Vor also nicht mal 100 Jahren erschien so manchem die Flut an Information als bedrohlich. Jene mittlerweile alltägliche Flut bedarf inzwischen neben intellektueller Selektion auch respektvoll zu bewertender signaltechnischer Kapazitäten. Jahrzehnte lang wurden Signale für Audio, Video und Steuerung getrennt, vereinzelt auch in Hybrid-Leitungen, in der Regel jedoch auf analogem Weg übertragen. Am Ende des 20. Jahrhunderts begann man dann Audiosignale digitalisiert über Netzwerkleitungen, teils TCP-IP Protokoll zu übertragen und zu verteilen. Nicht selten waren und sind die Protokolle hierbei aber proprietär, was die Kombination von Geräten unterschiedlicher Hersteller erschwert und häufig unmöglich macht.

Erste Schritte digitaler Übertragung
Als 1. Generation digitaler Übertragung kann man S/PDIF, AES/EBU respektive AES3 bezeichnen – das war 1985. 1989 war die Geburtsstunde des Multichannel Audio Digital Interface, kurz MADI, bei der AES im Standard AES10 definiert – einem Standard in der professionellen Tonstudiotechnik. Es erlaubte erstmals die digitale Übertragung einer Vielzahl an Audiokanälen, anstelle der bis dahin zweikanaligen „Stereo“ Signale, in einer Leitung. Die 2. Generation setzte auf Layer-2 Netzwerktechnik, die für Subnetze und LAN konzipiert ist. 1996 revolutionierte Cirrus Logic dabei mit dem CobraNet die Audio(festinstallations)welt. Über die Jahre kamen andere hinzu: u.a. A-Net, EtherSound, BLU-Link, SymLink, Ravenna, RockNet, Optocore, Hydra, Q-Lan, LiveWire, ACE, AES 50 (superMac), AES 51 oder Dante (auch Dante Ultimo oder Dante Via).

Bei auf Layer-1 basierenden, physischen Verbindungen besteht eine Punkt-zu-Punkt Verbindung, die mit konventionellem IP Ethernet nicht kompatibel ist. Layer-2 hingegen verpackt die Daten in Standard Ethernet Datenpakete. Layer-3 hingegen ermöglicht vollen Netzwerkzugriff, erfüllt alle IP Standards und ist somit kompatibel mit allen Standardnetzwerken (LAN), inklusive Internet (WAN). Je nach Anforderungen sind solche digitalen Verbindungen mittlerweile in DSP-Matrizen, Mischpulten, Endstufen oder anderen Geräten implementiert. Mehrere Kanäle werden dabei zu Paketen gebündelt, früher bei CobraNet daher als Bundle bezeichnet, und tragen nun Namen wie Flow (Dante) oder Stream (AVB), wobei z.B. ein „Stream“ 1 bis 60 Audiokanäle umfassen kann. Das Netzwerk muss dabei jedoch auch sinnvoll administriert werden können – als vorbildlich ist hier der Dante Domain Manger zu nennen.

Audiosignale können seitdem über Kupferleitungen oder Glasfaserkabel transportiert werden. Ob proprietäres oder offenes Protokoll ist dabei nicht selten ein stark diskutiertes Thema. Die Zahl der Audiokanäle, Gleichzeitigkeit und Richtung von Kanälen, Abtastraten, Sample-Tiefen und zulässiger Leitungslängen sind individuell unterschiedlich. Grundsätzlich ist stets auf Latenz, also zeitliche Verzögerungen, Synchronität, sowie eventueller Datenkomprimierung oder sonstiger Restriktionen bei der Verschaltung mehrere Geräte zu achten. Manche Protokolle sind fehlertolerant, andere weniger. Video generell und meist auch Steuerdaten wurden und werden bei diesen für die Audiotechnik präferierten Standards weiterhin unabhängig betrachtet und verkabelt.

Audio, Video und mehr in einer Leitung (HDBaseT, AVB & Co.)
Eine erste grundlegende Änderung kam Mitte 2003 mit HDMI, das neben Ton nun auch Videobild (später auch Steuersignale) zwischen Geräten digital überträgt. Das eigentlich für Consumer-Geräte entwickelte HDMI eröffnete in der Medientechnik neue Möglichkeiten, löste aber nicht andere Probleme, wie dem Wunsch nach Vernetzung. Ferner sind bei der Verkabelung enge Grenzen auferlegt, was im Heimbereich selten stört, anspruchsvolle Installationen jedoch behindert.

Eine gravierende Änderung stellte sich 2009 mit HDBaseT und seiner gleichnamigen Allianz von LG, Samsung, Sony und Valens Semiconductor ein. Die Übertragung erfolgt dabei unkomprimiert und kopiergeschützt über ein herkömmliches CAT-Kabel, welches dabei bis zu 100 m Länge besitzen darf. Hierüber werden Full-HD Video, Mehrkanal-Audio, Steuerdaten, USB und 10/100 Mbit/s Netzwerk digital transportiert. Ferner ist eine Fernspeisung per PoE (power-over-ethernet) für Geräte vorgesehen.

HDBaseT hat Möglichkeiten, welche mittlerweile auch Hersteller für sich selbst, wenn gleich mit spezifischen marginalen Anpassungen unter eigener Flagge, nutzen. So wird HDBaseT zum Beispiel bei folgenden Herstellern unter der genannten Bezeichnung eingesetzt: AMX ® DXLink, Crestron ® DigitalMedia, Extron ® XTP/DTP, Panasonic ® Digital Link. Nicht selten suggeriert dies Exklusivität oder Inkompatibilität. Dem muss jedoch nicht, kann es aber, so sein. Unter „HDBaseT Alliance“ versteht man die Allianz von Firmen/Herstellern, die eine herstellerunabhängig übergreifende Kompatibilität anstreben und mit diesem Logo jenen Vorteil bewerben. Allerdings sind von den Allianz-Mitgliedern nicht zwingend alle Geräte zertifiziert, weshalb unter hdbaset.org stets geprüft werden sollte, ob das einzusetzende Geräte dezidiert zertifiziert ist – was nicht der Fall sein muss.

Die HDBaseT Technik bietet somit erstmals eine Plattform, welche Hersteller unabhängig ist und die Integration auch in bestehende Netzwerke ermöglicht. Grundsätzlich sollte jedoch, bei LAN basierenden Netzwerken, das medientechnische Netzwerk vom Datennetzwerk physikalisch, zumindest jedoch als virtuelles LAN (VLAN), getrennt werden. Denn Netzwerksicherheit und Netzwerkbelastung werden hierbei nicht selten vernachlässigt und führen dann häufig bei beiden Gewerken zu Problemen.

Last but not least: Seit 2012 entwickelt sich Audio Video Bridging, kurz AVB. Die AVnu-Allianz ist ein Industrieforum, welches sich in diesem Zusammenhang mit der Evolution von professioneller AV-Übertragung via Ethernet bei diversen Link-Layern beschäftigt. Bei AVB handelt es sich um ein unter IEEE 802.1 standardisiertes Verfahren zum synchronisierten und priorisierten Streaming von Audio- und Videodaten über Netzwerke, sowie virtuellem LAN. Sender heißen dabei Talker (dt.: Sprecher) und Empfänger Listener (dt. Hörer). AVB bezeichnet man – so wie Dante – als 3. Generation, die auf Layer-3 setzt und auch über Router hinweg in WAN-Umgebungen arbeitet.

Die Synchronisation erfolgt bei AVB durch mitübertragene Zeitinformationen. AVB ergänzt somit die IEEE 802-Architekturen um 4 bedeutende Merkmale, wie präzise Sychronisation, Traffic-Shaping (s.g. „Warteschlangenverwaltung“) für Media-Streams, Zugangskontrolle und die Detektion von nicht teilnehmenden Geräten. Grundsätzlich sind speziell konfigurierte AVB-Switches notwendig, die (Stand 2015) bis hin zu 40 GbE skalierbar sind. Übrigens: AVB ist in der Industrie unter TSN bekannt, was für Time Sensitive Networking steht. Es wird dort im wesentlichen zur Datenübertragung, ohne Audio und Video eingesetzt. TSN gilt als wichtige Standardtechnologie im Bereich Industrie 4.0.

Entwicklungen in der Medientechnik
Moderne Anlagentechnik ermöglicht also das gleichzeitige Übertragen von mehrkanaligen Audio-, Video- und Steuerdaten verlustfrei und unkomprimiert bis zu mehreren Kilometern, je nach dem über Kupfer- oder LWL-Leitungen. In der Regel ist das Mitführen von LAN und USB-HID im selben Kabel ebenso gewährleistet. Des Weiteren können die unterschiedlichen analogen und digitalen Signalformate auch bedarfsweise skaliert sowie matriziert werden. Bei der zentralen Verteilung von Signalen sind HDCP, EDID und DHCP ebenso Faktoren, die zu berücksichtigen sind.

Mit Stand 2018 erlauben AV-Verteilsysteme Videosignale bis 4K / 60 Hz unkomprimiert von weit über 100 Eingängen auf eine gleiche Anzahl Ausgänge zu schalten. Schon heute zeichnet sich jedoch bereits die Entwicklung zu 8K ab. Der bereits bei 4K notwendige Datendurchsatz lässt die Herausforderungen für 8K und höher nur erahnen. Ultra hochauflösende Medien in 4K (UHD) oder 8K stellen somit auch zum Teil nicht unkritische Ansprüche an die Verteiltechnik.

Grundsätzlich ist nach wie vor zu beachten, ob Datenkomprimierung oder Datenreduktion stattfindet. Beides wird häufig synonym verwendet, ist jedoch gravierend unterschiedlich. Eine komprimiert Übertrag ist verlustfrei. Eine Datenreduktion reduziert Inhaltsinformationen und führt grundsätzlich zu Qualitätsverlusten. Für Datenreduktion sei bei Bilddaten als Beispiel jpeg genannt, bei Audiodaten mp3. Werbewirksam wird manchmal Datenreduktion auch visually lossless bezeichnet. Man sollte sich dabei jedoch nicht über die reale Qualitätsminderung hinwegtäuschen lassen.

Doch welches Protokoll respektive Übertragungsverfahren ist nun das Richtige, das einzig Wahre? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Das jeweils sinnvolle Protokoll ist abhängig von der Nutzung (z.B. Broadcast) und dem zu übertragenden Medium (Audio und/oder Video). Es unterliegt damit der Präferenz des jeweiligen Marktes. Interkompatibilität ist jedoch ein Thema, welches sich die nächsten Jahre weiter entwickeln müsste und dürfte. Der AES 67 Standard lässt dabei hoffen.

Qualifizierung ratsam
Bei der Übertragung digitaler Signale sind intensive Kenntnisse zur jeweiligen Technik äußerst ratsam. Per se fordert die Digital-Technik eine gezielte Planung in Bezug auf die Vielzahl ihrer spezifischen Belange, welche sich nicht immer augenblicklich offenbaren. Erst dann ist sichergestellt, dass digitale Mediennetzwerke mit allen ihren Vorteilen dauerbetriebsfest und mit ihrer maximalen Leistungsfähigkeit genutzt werden können. Andernfalls bedeuten digitale Nullen und Einsen im Kabel ebenso schnell: 100% ein oder 100% aus. Durch eine akkurate Planung im Vorfeld kann Nachteiliges vermieden werden.

Soni.eK ist ein Hersteller unabhängiges Planungsbüro, kann sich jedoch ausgeprägten, exponierten Marktentwicklungen nicht entziehen. Da sich das DigitalMedia System des Herstellers Crestron ® in den letzten Jahren zum Standard in der Medientechnikindustrie etabliert hat und wir generell für unsere Kunden auf den aktuellsten Stand sein möchten haben wir 2014 beschlossen uns als Crestron DigitalMedia Fachplaner zertifizieren zu lassen. Auf Grund der Marktentwicklung haben wir uns 2016 zur Zertifizierung zum Extron XTP Systems Design Engineer entschlossen.

Dem Grundsatz unseres Hauses stets folgend werden wir weiterhin den Markt beobachten um über entsprechende Technologien – gleich welchen Herstellers – „Up-to-date“ zu sein. So gibt es derzeit HDbaseT-Matrixsysteme unterschiedlicher Skalierbarkeit und Systematik, beispielsweise von (in alphabetischer Folge): AMX, Atlona, Extron, Key digital, Kramer, Snap AV.

Last but not least: Nutzung bestehender Haus-IT-Netze
Standard-IT-Netze sind grundlegend Datenpaket orientierte Netzwerke. Latenzzeiten sind dabei akzeptabel und führen nahezu nie zu Problemen oder Konflikten. In AV-Netzwerken führt dies aber regelmäßig und schnell zu kritischen Ergebnissen, insbesondere wenn Bild und Ton mit Live-Situationen zusammenzuführen sind. Zudem benötigen Videodaten naturgemäß ein Vielfaches an Bandbreite mehr als es Audiodaten oder in der Regel schlichte EDV-Daten tun, was bei mittleren und erst recht großen Haus-IT-Netzen hinsichtlich deren Infrastruktur schnell kostenrelevant werden kann. So sind Bandbreite, Latenz, Live-Tauglichkeit / Lippensynchronität (engl.: Lip sync), Ton- und Bildqualität und die Integrationsfähigkeit in vorhandene Standard-IT insgesamt abzuwägen.

Aber auch Routinen des Betriebsalltages haben Ihre Tücken, wie das Thema Systemaktualität. Die Notwendigkeit von Updates für Hardware und Software, egal welcher, bewirkt regelmäßig Interkompatibilität. Der Bedarf nach Updates ist in der Standard-IT regelmäßig anders und kann akuter sein als in einer AV-Umgebung üblich notwendig. Wenn gleich auch hier regelmäßig Updates nötig werden können, alleine um mobile Endgeräte neuer Generation aus der Welt der Standard-IT in die AV-Technik weiterhin einbinden zu können. Generationsbedingt kann es dadurch bei manchen AV-Komponenten jedoch dann zu Betriebszuständen kommen, die die Standard-IT in deren Wunsch nach Generationsfortschritt behindern. Das Lebensende eines AV-Gerätes oder gar AV-Systems kann so plötzlich begründet sein, ohne dass es funktionstechnisch impliziert gewesen wäre.

Vielmehr noch fordern IT-Administratoren meist und verständlicherweise hohe Sicherheit im Netzwerk, die mit fortschreitender Systemgeneration steigt respektive sich zumindest verändert. Seitens der AV-Gerätehersteller werden diese Bedürfnisse jedoch teilweise nach wie vor nicht, sehr begrenzt, zeitlich stark verzögert oder nicht nachhaltig genug berücksichtigt und in deren Geräte-Firmware eingearbeitet, was zu „Hintertüren“ in der Standard-IT führen kann. Aus der Praxis heraus empfiehlt es sich daher meist beide Netze IT-technisch und administrativ zu trennen.

Top